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Sodalengruss zum Fest Maria Erwählung

05.12.2018
Der ANTONIUS (Hauszeitschrift) steht im Dezember im Zeichen des Sodalengruss'. Die gedruckte Ausgabe liegt vor.
Bild Legende:

Liebe Sodalen

Das Fest, das wir alljährlich am 08. Dezember feiern, heisst offiziell: Das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. In diesem Titel schwingt auch der Gedanke an die Erwählung Marias mit. Wen Gott erwählt, dem gibt er die der Erwählung entsprechenden Gnaden. Sie sind nicht menschlicher Verdienst, sondern Gottes Geschenk, über das der Mensch sich freuen und für das er danken darf. Der Erwählung gemäss zu leben, ist Aufgabe des Menschen. Gott hat auch uns erwählt, jede und jeden zu einem anderen Dienst und zu anderen Aufgaben, und auch uns sind die entsprechenden Gaben verliehen worden.

Alles ist Gnade

Mit anderen Worten heisst das, dass alles unentgeltliches Geschenk Gottes ist. Alles ist Gnade, alles ist Geschenk der Liebe Gottes zu uns. Der Engel Gabriel nennt Maria «die Begnadete» (Lk 1,28): sie ist voller Gnade, da Gott sie von jeher als Mutter Jesu erwählt und vor der Erbsünde bewahrt hat. Und Maria entspricht der Gnade und überlässt sich ihr, indem sie zum Engel sagt: «Mir geschehe, wie du gesagt hast» (Lk 1,38). Sie sagt nicht, dass sie nach seinem Worte handeln wird, sondern: «Mir geschehe…». 

Auch wird sind aufgefordert, auf Gott zu hören, der zu uns spricht. Auch wir sind aufgefordert, seinen Willen anzunehmen, auch wenn er uns allen die Freiheit geschenkt hat. Der Logik des Evangeliums entsprechend ist aber nichts wirksamer und fruchtbarer als das Hören auf das Wort Gottes, das aus dem Evangelium, aus der Bibel zu uns kommt. Denn auf diesem Weg spricht Gott immer zu uns. 

Das Dogma der unbefleckten Empfängnis

Die Katholiken nennen Maria eine tugendhafte Frau, und sie wird als Vorbild der Glaubenden bezeichnet. Und das ist gewiss richtig so. Das Dogma der katholischen Kirche lehrt uns wörtlich: «Maria wurde ohne Makel der Erbsünde empfangen.» Das ist der Glaubenssatz der Kirche, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Weiter lehrt die Kirche, dass durch die Taufe alle Gläubigen von der Erbsünde befreit werden. Das bedeutet, dass was für Maria von der Empfängnis im Leib ihrer Mutter an galt, gilt auch für uns alle aufgrund der Taufe. Wir Menschen sind also wie Maria grundsätzlich imstande, uns in der Versuchung von der Sünde frei zu halten.

Nun gibt es aber viele, die behaupten, Maria sei lebenslang auch von jeder Begierde nach einer Sünde bewahrt geblieben und hätte deshalb nie gesündigt. Das ist aber nicht mehr der Inhalt des oben zitierten Glaubenssatzes. Wenn wir uns die Konsequenzen eines solchen Glaubens vor Augen halten, stellen wir fest, dass die Gottesmutter gar nicht mehr frei in ihren Entscheidungen gewesen wäre. Sie hätte, egal wie sie gehandelt hätte, gar nicht sündigen können. Aus diesem Grund wäre sie nicht tugendhaft gewesen und könnte für uns kein Vorbild sein.

Maria ist eine tugendhafte Frau

Tugendhaftigkeit setzt nämlich voraus, dass ein Mensch auch Böses tun kann. Die Tugend der Wahrhaftigkeit kann nur besitzen, wer auch unwahrhaftig sein könnte; also wenn eine Person lügen, übervorteilen, betrügen oder jemanden verleumden könnte. Indem wir das Böse aber nicht tun, besitzen wir die Tugend der Wahrhaftigkeit. Die Tugend der Liebe setzt voraus, dass wir auch lieblos und egoistisch sein könnten. Wenn wir uns von Egoismus und Lieblosigkeit fernhalten, haben wir die Tugend der Liebe. Die Tugend des Glaubens setzt voraus, dass wir auch ungläubig und gotteslästerlich sein könnten. Indem wir es nicht sind, besitzen wir die Tugend des Glaubens.

Wenn Maria nun auch von jeder Begierde zur Sünde bewahrt gewesen wäre, dann hätte sie also gar nicht anders als immer gläubig, liebend und wahrhaft sein können. Sie wäre unter dem Zwang zu glauben, zu lieben und wahrhaftig zu sein gestanden. Es wäre nicht ihre freie Entscheidung gewesen. Sie hätte keine Wahl und nicht die Freiheit gehabt, mit der Gott den Menschen ausgestattet hat. Und damit hätte Maria gar nicht tugendhaft sein können. Hätte sie aber nicht tugendhaft sein können, weil sie unter einem Zwang zum Guten gestanden wäre, dann könnte sie für uns kein Vorbild sein.

Gott gibt allen Menschen die Freiheit

Ich hoffe, liebe Leserin, lieber Leser, Sie verstehen, was ich damit sagen möchte: Es genügt, an das Dogma zu glauben, dass Gott Maria vom Augenblick ihrer Empfängnis an von der Erbsünde bewahrt hat. Die Vorstellung aber, dass sie auch immer frei von allen Regungen zur Sünde gewesen wäre, bedeutet eine Erniedrigung Marias, als hätte sie nur zwanghaft stets gut sein müssen und hätte deshalb keine Tugend gehabt. Sie wäre unfrei gewesen, hätte keine selbständigen Entscheidungen treffen können und wäre nur eine Marionette in der Hand Gottes gewesen. So würden wir der Gottesmutter und ihrem tugendhaften Leben, das sie in der von Gott geschenkten Freiheit gelebt hat, nicht gerecht.

Michel Corminboeuf, Präses der marianischen Sodalität

Kontonummer für Spenden:

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Marianische Sodalität
Appenzell